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16.11.22

Fridays for Future und Greta Thunberg

 Ich beschäftige mich gegenwärtig intensiv mit Greta Thunbergs Klima-Buch und habe dazu Artikel in ZUM Unterrichten, in der Wikipedia und auf Wikiversity erstellt. (Der Artikel auf Wikiversity soll dazu dienen, Informationen, die nicht ins Wikipediaformat passen, auch außerhalb von ZUM Unterrichten bekannt zu machen. Dazu dienen auch Blogartikel, die auf den Artikel bei der ZUM zurückgreifen.)

Daneben lese ich auch Vanessa Nakates Buch: Unser Haus steht längst in Flammen und schreibe dazu Blogartikel.

Angesichts der Tatsache, dass an Thunbergs Klimabuch über 100 zum Teil hochrenommierte Wissenschaftler und Aktivisten aus einer Vielzahl von Staaten und mit unterschiedlichen Berufen mitgearbeitet haben und dass dies Buch für mich in ungewöhnlichem Maße Wissenschaftlichkeit und Verständlichkeit im Sinne einer Werbung für eine politische Aktion verbindet und weil Vanessa Nakate, die großen Wert darauf legt, dass der afrikanische Standpunkt gehört wird, Greta Thunbergs Autorität nicht infrage stellt, obwohl sie weiß, Europäerin (und vergleichsweise unwichtig - auch jünger) ist: Und auch aufgrund der Lektüre des Wikipediaartikels zu Thunberg stellt sich mir die Frage, ob sie als Gesicht der Fridays-for-Future-Bewegung mit der Rolle als Frontfrau dieser Bewegung, ja des Klimaaktivismus überhaupt nicht überfordert ist. 

Es ist eine weltweite Bewegung, es kommt auf wichtige Weichenstellungen an. Wer berät sie? Ist sie - ihre Hochbegabung nicht infrage gestellt - nicht überfordert mit einer solch ungemein politischen Aufgabe?

Es scheint so, als ob der UN-Generalsekretär ihr eine entscheidende politische Rolle zubilligt. Sieht er darin eine Chance, die Abhängigkeit von den USA zu verringern?

Wie wird über die weitere Strategie von Fridays-for-Future entschieden? Gibt es eine demokratisch legitimierte Vertretung?

Mit diesem Buch, das ich für weit wichtiger halte als 2052. Der neue Bericht des Club of Rome (obwohl ich das sehr schätze), ist sie in die Rolle des/der Kommunikator*in der gesamten Bewegung eingetreten. Was bedeutet das für ihre persönliche Entwicklung und die der Bewegung? 

Die Parallele zu Johanna von Orléans ist offenkundig. Die wurde "im Alter von 19 Jahren auf dem Marktplatz von Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt" (Wikipedia). Gelingt es den Gegnern der Klimabewegung, sie persönlich zu diskreditieren und damit die Bewegung zu treffen? - Eine große Verantwortung auch für Personen aus ihrem persönlichen Umfeld. 

Als Historiker denke ich an die Gestalten junger Monarchen. So viel Verantwortung in so jungem Alter! (Beispiel Heinrich IV.)

Aber angesichts der Aufgabe, die Klimapolitik weltweit auf andere Bahnen zu lenken, bedeuten solche Überlegungen zur Person wohl eher, sie zu wichtig zu nehmen. 

Sie hat mit ihrer Formulierung "Wir brauchen Milliarden Klimaaktivistinnen und -aktivisten." (Klimabuch, S.197) wohl auch solchen Überlegungen zu ihrer Person vorbauen wollen. 


2.11.22

Weshalb sagen manche Leute, dass sie intelligenter sind als andere?

 Mein Erkärungsangebot:

Es ist durchaus nicht ganz einfach, wesentlich intelligenter zu sein als andere.

Ich merkte erst spät, aus dem Gesichtsausdruck meines Sohnes zu lesen, dass er oft alles, was ich ihm sagen wollte, schon verstanden hatte, bevor ich es selbst zu Ende gedacht hatte. Dafür hörte er sich schon als kleiner Junge Erklärungen von mir geduldig an, die meine sechs oder acht Jahre älteren Schüler nicht nachvollziehen konnten. ("So genau wollte ich das nicht wissen.") Denn was ihm völlig neu war, fand immer sein Interesse.

Ich bin sehr schwerhörig und selbst die modernen Hörgeräte können das nicht ganz ausgleichen. Deswegen muss ich immer wieder einmal erklären, weshalb ich etwas nicht verstanden habe. Hochintelligente kommen wohl immer wieder einmal in die Verlegenheit, erklären zu wollen, dass sie etwas verstanden haben, was der andere noch gar nicht gesagt hat.

Natürlich ist es kein Verdienst, intelligent geboren zu sein. Es ist auch kein Verdienst, Sohn berühmter Eltern zu sein. Aber es gehört schon etwas dazu, wenn jemand erst auf mehrmaliges Nachfragen ("Woher kannten Sie denn X. schon mit 10 Jahren?" u.ä.) damit herausrückt, dass alle Berühmtheiten, die in unserem Gespräch vorkamen, Bekannte seiner Eltern waren. Der jüngere Bruder dieses Sohns berühmter Eltern klärte mich schon mit seinem zweiten Satz darüber auf.

Wer mit etwas angibt, was nicht sein Verdienst ist ("Ich bin Deutscher!") wirkt natürlich unsympathisch. Aber wenn man lange Erklärungen anhören muss, bei denen man gleich zu Anfang gemerkt hat, dass der andere den Zusammenhang nicht verstanden hat, ist die Versuchung, das zu sagen, schon ziemlich groß.

Wie viel musikalischer meine Frau ist als ich, habe ich erst gemerkt, als sie sich mit meinem Sohn, der früh eine intensive musikalische Ausbildung hatte, über Details unterhielt, von denen ich überhaupt nichts verstand. Natürlich war mir von Anfang an klar, dass sie musikalischer ist als ich. Aber wie groß der Abstand auch bei Personen sein kann, keine Ausbildung haben, das merkt nur der, der mehr davon versteht. Der andere merkt vielleicht nur: Der kann besser Noten lesen und besser absingen als ich. Dass jemand das ganz selbstverständlich so gut kann, dass es ihm schwer fällt, sich klar zu machen, dass andere das wirklich nicht können, gibt es allerdings auch.

Nun, dazu gibt es eine ganze Reihe von schönen Anekdoten.

Diese meine Erklärungen hätte ich mir unter einer Voraussetzung ersparen können: Dann, wenn ich hätte sicher sein können, dass die folgende Frage nicht für angeberisch gehalten worden wäre:

Hast du denn wirklich noch nie darunter gelitten, dass du schneller denkst als andere?

Ich selbst habe als Lehrer durchaus darunter gelitten, wenn meine Schüler meine Erklärungen nicht verstanden haben. Aber nicht deshalb weil ich intelligenter gewesen wäre als sie. Mein Sohn kann ausgezeichnet erklären. Aber als er mir als Zwölfjähriger die Grammatik einer neuen Computersprache erklären wollte, hat er gelitten und gab an einer Stelle auf. Nämlich als ich eine Frage stellte, aus der er erkannte, dass ich schon den vorvorletzten Gedankenschritt nicht verstanden hatte.

Später hat er mir dann seine Promotion in 20 Minuten erklärt. Das hat deshalb funktioniert, weil er mir anhand von Analogien aus der Mathematik, die ich verstehe, anschaulich gemacht hat, inwiefern das, was er behandelt hat, etwas Neues war. Inzwischen kannte er mich gut genug, um einschätzen zu können, was ich nachvollziehen könnte und was nicht. Und so viel wusste auch ich längst: Es wäre töricht gewesen, mir genau das erklären zu wollen, was die Schwierigkeit bei seiner Arbeit war. Dafür fehlten mir alle Voraussetzungen.

So haben wir beide nicht gelitten. - Und ganz stolz war er, als er mir von seinem neuen Arbeitsplatz berichten konnte: Da gibt es welche, die viel intelligenter sind als ich. Und ich werde dafür bezahlt, dass jemand mir etwas erklärt.

Und wir hatten beide unsere Freude daran, als er meiner vierjährigen Enkelin erklärt hat, was ein Komet ist ("in kleiner Himmelskörper von meist einigen Kilometern Durchmesser, der in den sonnennahen Teilen seiner Bahn eine durch Ausgasen erzeugte Koma* und meist auch einen leuchtenden Schweif (Lichtspur) entwickelt."  - Wikipedia). Ich habe dabei viel gelernt und sie hatte das Gefühl, es richtig verstanden zu haben, besser als die Erklärungen von anderen Erwachsenen.

*"Sobald ein Komet bei der Annäherung an die Sonne in einem Abstand von etwa 5 AE ungefähr die Jupiterbahn kreuzt, bildet die Wechselwirkung zwischen Sonnenwind und Komet eine schalenförmige Koma, die in Kernnähe auch strahlenartige Strukturen zeigt. Sie entsteht durch Sublimation leicht flüchtiger Substanzen [...]" ( Wikipedia)

Man muss einen solchen Sachverhalt schon sehr gut verstanden haben, wenn man ihn einer Vierjährigen so erklären kann, dass sie mit der Erklärung etwas anfangen kann. Ich kann das nicht, und schon gar nicht mit wenigen Worten.

Und sie hat dann als Komet immer einen Schal als Lichtspur hinter sich her gezogen.

Sieh auch: gutefrage.net, wo die Frage gestellt worden ist, die ich zu beantworten suche. 

21.9.22

Eine Zeit lang

Eine Zeit lang habe ich  wieder mehr privates, handschriftliches Tagebuch geführt.

Heute habe ich an sich Lust, hier etwas festzuhalten, doch es geht auf eine Kurzreise. Vielleicht hole ich den beabsichtigten Eintrag nach oder verfasse demnächst wieder einen etwas längeren hier.

4.8.22

Synonyme und feine Unterschiede

Als ich 1979 in England ein Haus mieten wollte und der Hauseigentümer mich fortwährend willkommen hieß ("You are welcome"), verstand ich nicht, dass er damit dasselbe meinte wie ich, wenn ich, wenn ich "kein Problem" oder "macht nichts" sage.*

Als ich bei meiner Rückkehr mit dem stellvertretenden Direktor meiner Schule sprach, der immer wieder "kein Thema" sagt, war mir klar, dass er damit ausdrückte, dass er bereit war, für meine Anliegen großen Einsatz zu zeigen und weite Wege zu gehen, so wie ich, , wenn ich "kein Problem" sage.

Als ich heute lernte, das französische "de rien" ("keine Ursache") mit "You are welcome" zu übersetzen lernte, merkte ich, dass das abgedeckte Wortfeld der beiden Ausdrücke größer ist, als ich es zunächst wahrgenommen hatte und dass es auch das neuerdings im Deutschen übliche "gerne" und "alles gut" umfasst. 

"You are welcome" war so sehr freundlich. Freilich, wenn jemand ein Glas umwirft, so dass die gesamte Tischdecke nass wird (am besten noch mit Rotwein), wird "You are welcome" und "gerne" doch weniger passen als "de rien", "macht nichts" und "kein Thema". 

Mir fällt dazu die interpretierfähige Aussage der Bischöfin Käsmann ein: "Nichts ist gut in Afghanistan" . Natürlich wollte sie nicht sagen, es gäbe dort nichts Gutes zu essen, sondern deutlich auszusprechen, dass, wer "Deutschland am Hindukusch verteidigen" will, in Kauf nimmt, dass dabei "Kollateralschäden" von vielen Toten auftreten. Und dass der Unterricht für afghanische Mädchen das Leben vieler Menschen kosten könnte, die dort deutsche Journalisten und Ausbilder bei ihrer Arbeit unterstützen, und bei noch viel mehr Menschen Todesangst auslösen würde. Zur Einführung eines Verständnisses für die Gleichberechtigung aller von Menschen gehört mehr als die militärische Beherrschung eines Gebietes und die Einrichtung vieler Mädchenschulen. 

Erst beim Streit über Documenta fifteen wurde deutlich, wie fremd Opfern von Kolonialismus und Postkolonialismus die Vorstellung ist, Juden als Kolonialisten anzusehen, sei angesichts des Holocaust unerlaubt. Und wie fern der deutschen Kultur der Vergangenheitsbewältigung die Vorstellung ist, das Alleinstellungsmerkmal des Holocaust könnte als unerlaubte Sonderstellung weißer Opfer von Völkermord angesehen werden. 

Was aus der einen Sicht humanitäre Intervention zur Verhinderung von Völkermord ist, kann von der anderen Seite als unzulässige Einmischung selbsternannter Richter des "Westens" mit seiner "regelbasierten Werteordnung", die sich als Weltordnung aufplustert, verstanden werden. Warum sollten Bürger der USA nicht vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden dürfen?


*Außerdem besinne ich mich, dass ich bei dem Gespräch mit dem englischen Hausbesitzer immer wieder etwas von "cobbet" hörte und erst als ich meiner jüngsten Tochter "cupboard" vorlas, von der wenig älteren aufmerksam gemacht wurde: "Papa, du liest da ja "Kappbord", es heißt doch "cupboard". 

Kluge Frauen

In einem Tweet empörte sich ein(e) Twitter*in darüber, dass über einen offenen Brief von u.a. Alice Schwarzer und Juli Zeh debattiert werde, wo sich doch schon kluge Frauen dazu geäußert hätten:

Es gibt so viele kluge Frauen, die sich hier z.T. seit vielen Jahren sachkundig über die Ukraine äußern, z.B. , , , ; aber Deutschland debattiert über Alice #Schwarzer, als wisse diese Frau, worüber sie da redet.

Alice Schwarzer nachzusagen, sie wisse nicht, worüber sie rede. ist in meinen Augen eine Beschimpfung, wenn nicht Beleidigung.

Juli Zeh hatte die Gelegenheit, in einem Interview mit der Zeit ihre Ansichten dazu etwas näher zu erläutern:

"ZEIT ONLINE: Woher wollen Sie wissen, ob in dem Moment, in dem der Krieg beendet wird, auch das Morden, die Vergewaltigungen und die Deportationen beendet werden? 
 Zeh: Unter Kriegsbedingungen wird all das ganz sicher weitergehen. Deswegen brauchen wir dringend einen Waffenstillstand, eine Ruhepause, die es ermöglicht, in einen Verhandlungsmodus zu gelangen. 
 ZEIT ONLINE: Aber es wird doch schon die ganze Zeit verhandelt, die Ukraine bietet sogar Kompromisse an, etwa eine Neutralität mit Sicherheitsgarantien. Russland geht nur nicht darauf ein. 
 Zeh: Was wir im Moment haben, sind nur dem Namen nach Verhandlungen. Sie dienen dazu, in Kontakt zu bleiben. Zuerst brauchen wir eine Waffenruhe. Das ist der erste Schritt. Es muss Zeit gewonnen werden. Wir wissen aus Erfahrung, dass Friedensprozesse langwierig sind. Wir können nicht auf schnelle Ergebnisse hoffen – und auch nicht auf eins, das uns gefällt. Trotzdem müssen wir an diesem Weg festhalten, weil es der einzig gangbare ist. Auch wenn wir uns wünschen, die Ukraine mit allen Mitteln zu beschützen und Putin restlos zu besiegen, müssen wir uns die Frage stellen, ob das überhaupt möglich ist. Denn wenn man etwas Unmögliches anstrebt und dabei sagt: Das müssen wir erreichen, um jeden Preis!, gerät man in einen Teufelskreis, der rationale Abwägung verhindert. 
 ZEIT ONLINE: Wie könnte denn Ihrer Meinung nach ein Verhandlungskompromiss aussehen, der Putin für seinen verbrecherischen Angriffskrieg nicht belohnt? 
 Zeh: Es kann doch nicht darum gehen, ob Putin auf irgendeine Weise belohnt wird. Es muss darum gehen, Menschenleben zu retten. Es ist auf keine Weise sicher, dass sich der Konflikt mit Waffenlieferungen schneller lösen lässt. Angesichts des enormen Risikos ist es Bürgerpflicht, das zu hinterfragen. (ZEIT online 3.5.22)

Ihre Aussage: "Es ist auf keine Weise sicher, dass sich der Konflikt mit Waffenlieferungen schneller lösen lässt. Angesichts des enormen Risikos ist es Bürgerpflicht, das zu hinterfragen." ist mir zu apodiktisch formuliert. Man kann ein guter Bürger sein, ohne sich über Details militärischer Vorgehensweisen und ihre Effektivität Gedanken zu machen. Aber es als als skandalös hinzustellen, wenn eine solche Frage öffentlich diskutiert wird, geht entschieden zu weit.
Angesichts der gegenwärtigen überhitzten Diskussionen ist es freilich kein besonders schlimmer Fall. (Diese Fälle bekomme ich aufgrund der begrenzten Zahl von Personen, denen ich auf Twitter folge, zum Glück erst mit, wenn sie in anderen Medien besprochen werden.)
Da ich meinerseits auf diesen Tweet nicht so differenziert geantwortet habe, wie ich es für wünschenswert halte, hole ich es hiermit nach, auch wenn meine Artikel in diesem Blog weit weniger Personen erreichen als meine undifferenzierteren Tweets.

8.5.22

Was mache ich hier eigentlich?

 Während in meiner aktiven Zeit als Lehrer meine Blogartikel weitgehend auf meinen Erfahrungen mit Schule und Schulbürokratie beruhten, ergeben sie sich seitdem aus dem, was mir mein persönliches Lernnetzwerk (PLN) mir zuträgt: Zeitungen und Zeitschriften, gedruckt und online, Kontakte mit Internetbekanntschaften (nicht zuletzt aus der ZUM), die ich nur selten persönlich treffe, Twitter, gutefrage.net, MOOCs, Newsletter u.ä. Eigene Recherchen betreibe ich nicht.

Hat ein solcher Echoraum für medial Produziertes seinen Sinn?
Positiv beantworten würde ich es eindeutig bei 2052. ...Flüchtlinge und "Der Mann, der die Wüste aufhielt" (basierend auf einem ZEIT-Artikel von Andrea Jeska).
Bei meinen weit über 1000 anderen Texten? Bei meinen Meinungsäußerungen?
Immer wieder lese ich Artikel, die ich für festhaltenswert und empfehlenswert halte und erstelle Blogartikel, wie ich früher Zeitungsausschnitte sammelte. Bei einem Wikipediaartikel wie Zeitungsausschnitt, der 2009 entstand und seitdem immer wieder einmal verbessert wurde und gegenwärtig täglich zweimal abgerufen wird, erscheint mir das unbedingt sinnvoll, weil ich heute dort nicht nur lesen kann, was ich damals dazu herausgefunden habe, sondern auch, was ich in der Zwischenzeit hätte lernen können, wenn ich mich weiterhin damit beschäftigt hätte.

Ich will in Zukunft mehr Zeit für Beziehungen aufwenden und weniger für solche Texte.
Freilich, die Frage "Was tue ich eigentlich?" sollte man sich immer wieder stellen. Aber muss man wirklich einen Blogartikel dazu schreiben, nur damit man später einmal weiß, was man damals gedacht hat?

Und wenn Sie bis hierher gekommen sind, fragen Sie sich vermutlich: "Warum habe ich das hier eigentlich gelesen?"
Meine Schüler haben mir über die Aussageabsicht von Texten meist gesagt: "Der Text will zum Nachdenken anregen."
Hilft Ihnen das weiter?

Dieser Blogartikel wurde am 10.3.2018 in meinem Lehrerblog geschrieben. Dabei hatte ich schon seit dem 12.2.2007 hier den persönlicheren Tagebuchblog angefangen (mit einem Artikel über den utopischen Frieden, dem dann einer über soziale Verteidigung* folgte - heute nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gewiss noch aktueller als damals)  zunächst mit Texten, die ich in den 80er-Jahren geschrieben hatte, dann mit persönlichen Reflexionen, öfter auch auf äußere Anregungen bezogen, aber doch weniger in der Absicht, Material wie Zeitungsausschnitte festzuhalten, sondern um mich erinnern zu können wie an den obigen Beitrag, ohne dass ich Privates aufnehme, was nicht für andere bestimmt ist. 

* Damals schrieb ich: "Soziale Vertei­digung setzt voraus, daß der einzelne im Ernstfall zu seiner Entscheidung steht; im Atomkrieg hat keiner mehr die Möglichkeit, sich für Überleben statt Verteidigung zu entscheiden. Das macht den Unterschied der Glaubwürdigkeit Sozialer Verteidigung und atomarer Abschreckung aus. [...] Oft schon in der Geschichte ermöglichten gesellschaftliche Veränderungen neue Kampfmethoden: die Schweizer Bauern gegen das deutsche Ritterheer; die Freiwilligenarmeen der französischen Revolution gegen die Armeen der absoluten Fürsten; spanische Guerillakämpfer gegen Napoleons Heer. Die bewährten Methoden versagten gegen einen Gegner, der besser wußte, wofür er kämpfte. Gegen einen Streik helfen keine Atomwaffen.

Soziale Verteidigung eine Utopie? Unbedingt. Aber atomare Abschreckungsstrategie als Alternative könnte den Weg zu ihr ebnen. (1983)

Soziale Verteidigung am Hindukusch ist nicht möglich. Das spricht für Soziale Verteidigung. (2007)

Mehr zu Soziale Verteidigung"

Beziehungsvoll auch, dass ich diesen Artikel am 8.Mai schreibe, dem Tag, an dem das totalitäre Deutschland kapitulierte.

27.4.22

Fing mit den "out of area"-Einsätzen die Unfähigkeit der Bundeswehr zur Selbstverteidigung an?

 Ein Rückblick auf 1993:

1993: Kampfeinsätze der Bundeswehr

Zwar habe ich mich dagegen entschieden, einen Leserbrief in Sachen Kampfeinsätze der Bundeswehr zu schreiben, ich bin gegenwärtig auch zu müde, um sauber zu formulieren, aber ich möchte doch einmal festhalten, was ich von der Sache halte. Am Karfreitag war ich auf dem Ostermarsch mit der Abschlußkundgebung in Zwingenberg, auf dem die Hauptforderung das Stoppen der Kampfeinsätze der BW „out of area“ war. Außerdem wurde ein Verbot von Waffenexporten, die Auflösung der NATO und langfristig die Auflösung der Bundeswehr und aller nationalen Armeen gefordert.

Zu diesen Forderungen stehe ich unterschiedlich als Privatperson (was ich mit meinem persönlichen Einsatz mitzutragen bereit bin) und als sich öffentlich politisch Äußernder und als Parteimitglied. Als Kriegsdienstverweigerer sehe ich keinen Sinn in der Bundeswehr, der ihre enormen Kosten rechtfertigen würde. Ich halte den Aufbau von sozialer Verteidigung für wünschenswert. Doch gegenwärtig ist eine politische Durchsetzung dieser Strategie noch völlig utopisch. Sie öffentlich zu fordern, würde mich nur zum politischen Spinner stempeln. Außerdem fehlte mir eine zureichend große Gruppe als politischer Rückhalt. Als die Linie, die ich meine Partei, die SPD, gerne vertreten sähe, würde ich folgendes beschreiben: Beibehaltung der Bundeswehr (bei weiteren Sparversuchen bei Personal und Material), Festhalten an der NATO. Blauhelmeinsätze für die UNO in sehr eng begrenztem Rahmen. Mitwirkung an Kampfeinsätzen der UNO erst, wenn diese ein weitgehendes Gewaltmonopol erhalten hat. Entscheidung über die Teilnahme an Kampfeinsätzen „out of area“ durch Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Die Salamitaktik der Bundesregierung, sich in Kampfeinsätze hineinzustehlen, empfinde ich als unwürdig. Zur Anrufung des BVG in Sachen Awacs hat mir Helmut Schmidts Ausdruck „Affentheater“ recht gut gefallen. (16.4.93)


1.4.22

Film über Brandts Rücktritt 1974

 Im Schatten der Macht (2003)

Egon Bahr

Günter Gaus

Klaus Harpprecht

Bemerkenswert, dass Matthias Brandt Guillaume gespielt hat. 

"Matthias Brandt, der als Willy Brandts tatsächlicher Sohn im Film die Rolle des Guillaume spielt, im Interview[8]: „Mir war in erster Linie wichtig, die Figur nicht zu bewerten. Mal ausgehend von der Hypothese, dass Guillaume in zwei Loyalitäten gelebt hat, darf man da natürlich keine Färbung reinbringen. Man muss einfach versuchen, jemanden mit so einem Doppelleben in beiden dieser Leben authentisch zu zeichnen. Mich hat dieses psychologische Phänomen interessiert. (...) Es gibt glaubhafte Berichte, dass er im Gefängnis einen Zusammenbruch erlitt, als er von Brandts Rücktritt erfahren hatte. Guillaume hat auch aus dem Gefängnis Briefe an Mitarbeiter Brandts geschrieben: Man müsse sich doch noch mal zusammensetzen, er müsse das doch alles erklären. Es ist also nur folgerichtig, diese Figur auch in der Rolle des Opfers zu zeigen.“ "(Wikipedia)

Mich stört, dass Genscher so unsympathisch herüber kommt, auch wenn er nicht andere Ziele hatte, als den größtmöglichen Erfolg der SPD.

28.3.22

Edward Snowden: Permanent Record. Meine Geschichte

 Im Sommer 2013 habe ich im ZUM-Wiki einen Artikel Whistleblower angelegt, der auf einen Artikel Edward Snowden im selben Wiki verlinkt war. Die letzte Veränderung an diesem Artikel nahm ich im März 2017 vor, bevor er im Herbst 2018 auf ZUM Unterrichten, das Nachfolge-Wiki des ZUM-Wikis transferiert wurde. 

Vermutlich hat mein Interesse an der Person Edward Snowden sehr nachgelassen, als von ihm nur noch gelegentlich Botschaften an die Öffentlichkeit gelangten. Immerhin finden sich im September 2016 und September 2020 noch Blogeinträge zu ihm. Die Chance, seinen 2019 erschienenen Lebensbericht zu erwerben und zu lesen, habe ich nicht genutzt. 

Heute erst fiel er mir in die Hände. Ungemein sympathisch, im ersten Kapitel aus der Perspektive des Kindes und weitgehend für Kinder verständlich geschrieben. 

Am Schluss des Vorworts schreibt er:

"Ich achte die Privatsphäre meiner Mitmenschen. Und ich würde nie allein entscheiden, welche Geheimnisse meines Landes der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen und welche nicht. Aus diesem Grunde habe ich die Regierungsdokumente nur Journalisten anvertraut. Tatsächlich habe ich kein einziges Dokument direkt der Öffentlichkeit präsentiert.

Genau wie diese Journalisten glaube ich, dass eine Regierung dazu berechtigt ist, gewisse Informationen zu verschweigen. Selbst die transparenteste Demokratie der Welt darf die Identität ihrer Undercover-Agenten oder Truppenbewegungen im Kriegsfall geheim halten. Solche Geheimnisse werden in diesem Buch nicht offenbart. 

Von meinem Leben zu erzählen und dabei gleichzeitig die Privatsphäre der Menschen, die ich liebe, zu wahren und keine legitimen Staatsgeheimnisse zu enthüllen, ist keine leichte Aufgabe. Aber genau das ist meine Aufgabe. Zwischen diesen beiden Verpflichtungen ist mein Platz." (S.18)

Nach diesen Worten kann man sich denken, dass das, was man von Snowden vor allem erfahren möchte, in diesem Buch nicht vorkommen wird. Doch hoffe ich, dass er für seinen Lebensunterhalt nicht auf die Gnade von Putin angewiesen ist. Aber anzunehmen, dass er ohne den Schutz Putins seines Lebens sicher sein könnte und vor Folter geschützt wäre, wäre blauäugig. So muss er auch darauf Rücksichten nehmen. Keine leichte Aufgabe, wenn  er trotz allem vermeiden will, blanke Unwahrheiten zu publizieren. 

"Dass eine fehlerfreie geschriebene Reihe von Kommandos fehlerfrei immer und immer wieder die gleichen Tätigkeiten auslöste, erschien mir – wie auch so vielen anderen schlauen, technik-affinen Kindern des neuen Jahrtausends – als einzig stabile, rettende Wahrheit unserer Generation." (S. 47)
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So viel Neues ich aus dem Buch erfahre, so habe ich doch den Eindruck, dass ich einzelne Passagen, besonders von denen, die den Umfang der Überwachung betreffen, schon einmal wörtlich gelesen habe.

"Doch es stellte sich heraus, dass der wahre Terror die Angst war, geschürt von einem politischen System, das immer mehr gewillt schien, den Einsatz von Gewalt mit praktisch allen Mitteln zu rechtfertigen." (S.259)
"Nach 9/11 hatte die Intelligence Community die Parole 'Niemals wieder' herausgegeben: eine unerfüllbare Mission. Zehn Jahre später war zumindest mir klar geworden, dass die andauernde Beschwörung des Terrors durch die Politik nicht etwa die Reaktion auf eine spezifische Bedrohung oder Befürchtung war, sondern der zynische Versuch, den Terrorismus in eine allgegenwärtige Gefahr umzumünzen. Und diese Gefahr erforderte ständige Wachsamkeit, die von einer Behörde durchgesetzt wurde, die unantastbar war.

Nach einem Jahrzehnt der Massenüberwachung hatte sich die Technik als starke Waffe erwiesen – jedoch weniger gegen den Terror als vielmehr gegen die Freiheit selbst. Indem Amerika diese Programme, diese Lügen aufrecht erhielt, wurde wenig geschützt, nichts gewonnen und viel verloren – bis die Unterschiede zwischen den beiden Polen, die 9/11 geschaffen hatte, zwischen 'uns' und 'ihnen', immer mehr verschwammen." (S. 260)
"In einem autoritären Staat gehen Rechte vom Staat aus und werden dem Volk gewährt. In einem freien Staat gehen die Rechte vom Volk aus und werden dem Staat gewährt." (S. 262) "Und obwohl die Demokratie dieses Ideal oft nicht erreicht, halte ich sie nach wie vor für diejenige Form der Regierung, die Menschen mit unterschiedlichen Hintergrund am ehesten ermöglicht, als vor dem Gesetze gleiche Bürger zusammenzuleben.
Diese Gleichheit betrifft nicht nur Rechte, sondern auch Freiheiten. Tatsächlich sind viele Rechte, die Bürger in Demokratien am meisten zu schätzen wissen, gar nicht oder nur implizit gesetzlich verankert. Sie erwachsen aus jenem zunächst leeren Raum, der durch die Beschränkung der Regierungsmacht entsteht." (S. 263)
"In der heutigen Zeit gibt es einen Begriff, der diesen gesamten Raum der Möglichkeiten umfasst, auf den der Staat keinen Zugriff hat. Dieser Begriff lautet 'Privatsphäre'. Sie ist ein freier Bereich, der für die Regierung tabu ist, ein Vakuum, in welches das Gesetz nur mit richterlichem Beschluss vordringen darf."  (S. 264)

Wenn man irgendwann geglaubt hat, man könne Dateien löschen, ohne die Hardware zu zerstören, glaubt man es nicht mehr, wenn man bei Snowden gelesen hat, welche Mühe er sich gegeben hat, nicht erwischt zu werden, aber keinen Augenblick, dass löschen vielleicht ähnlich hilfreich sein könnte wie verschlüsseln. 

"In Wahrheit hat das Löschen technisch nie in dieser Form existiert. Das Löschen ist nur ein Trick, ein Hirngespinst, eine öffentliche Fiktion, eine wenig noble Lüge, die uns die Computertechnik erzählt, um uns zu beruhigen und damit wir uns wohlfühlen. Die gelöschte Datei verschwindet zwar aus dem Blickfeld, aber weg ist sie nur in den seltensten Fällen. Technisch betrachtet ist das Löschen eigentlich nur eine Form der zwischengeschalteten Berechtigung, eine Art des Schreibens. Wenn wir bei einer unserer Dateien auf 'Löschen' drücken, werden ihre Daten, die irgendwo tief drinnen auf einer Festplatte gespeichert sind, im Normalfall nicht einmal angerührt. Leistungsfähige moderne Betriebssysteme sind nicht so konstruiert, dass sie nur zum Zweck des Löschens den ganzen Weg bis in die Eingeweide einer Festplatte zurücklegen. Neu geschrieben wird vielmehr nur die Landkarte des Computers mit den Speicherorten der einzelnen Dateien, eine Landkarte, die man Dateizuordnungstabelle nennt. Sie wird überschrieben und besagt nun: 'Ich brauche diesen Platz nicht mehr für etwas Wichtiges.' Die angeblich gelöschte Datei ähnelt also einem übersehenen Buch in einer riesigen Bibliothek: Sie kann immer noch von jedem gelesen werden, der intensiv genug danach sucht. Wenn man nur den Katalogeintrag für das Buch löscht, ist das Buch selbst noch vorhanden." (S. 337/38)
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Als Snowden auf seinem Flug von Hongkong nach Ekuador in Moskau strandete, zeigte ihm ein russischer Vertreter des Geheimdienstes eine große "Medienmeute". 

"Drei oder vier Stockwerke unter uns auf Straßenhöhe hatte sich die größte Medienmeute versammelt, die ich je gesehen hatte. Unmengen von Reportern mit Kameras und Mikrofonen im Anschlag. Es war eine beeindruckende Show, vielleicht vom FSB inszeniert, vielleicht auch nicht, höchstwahrscheinlich irgendetwas dazwischen. Fast alles in Russland ist irgendetwas dazwischen." (S.389)

8.2.22

Hedgefonds - ein Rückblick ins Jahr 2007

 "Sy Schlüter von der CAI Analyse und Beratungs GmbH, seit 1994 in Hedgefonds tätig, erläutert in der Jugendzeitschrift Fluter nur wenig verklausuliert, dass er als Hedgefondsmanager versucht, den Aktienkurs einer Firma, die in Schwierigkeiten ist, noch weiter zu drücken und dass er einer gesunden Firma so viel Kapital zu entziehen versucht wie nur irgend möglich, ohne sie direkt in den Ruin zu treiben. Dass „Anteile eines Mittelständlers mit geliehenem Geld gekauft“ und „die Schulden für das geliehene Geld dem Mittelständler aufgebürdet werden“, hält er nämlich durchaus nicht für unmoralisch oder gefährlich. Kritisch wird es für ihn erst, „wenn die Umsätze nicht mehr genügen, um die Schuldenlast zu bezahlen. Einst gesunde Unternehmen können dann pleitegehen.“ In dem Fall, findet er, sei „mit zu spitzem Bleistift gerechnet“ worden.

Unverantwortlich nennt er freilich selbst das nicht. Nein, er findet es „tragisch“.
Bis hierhin mag man das normaler Betriebsblindheit hochbezahlter Manager zurechnen. Erst was dann folgt, zeigt, wie weit sich so ein Hedgefondsmanager von der Wirklichkeit entfernt hat und weshalb es so gefährlich ist, dass niemand sie kontrolliert und dass beim G8-Gipfel wieder die Chance verpasst worden ist, eine solche Kontrolle endlich vorzubereiten.
Was meint ein Hedgefondsmanager dazu, wenn ein gesundes Unternehmen aus maßloser Gier auf Superrenditen zugrunde gerichtet worden ist?
„Aber ich glaube: Auch das wird langfristig der Markt regeln. Schließlich entsteht dort, wo ein Unternehmen pleitegeht, auch die Chance auf etwas Neues.“ " (Beitrag in diesem Blog vom 10.6.2007)

Noch aktueller ist heute der Beitrag vom 17.12.2007
Wie unsere Ökosteuer dem internationalen Frieden dient
[...] Wenn dann aber wirklich alle mehr konsumieren, wird mehr Umwelt verbraucht. Das kann nur gut gehen, wenn wir weniger verbrauchen als bisher.
Dafür müssen wir heute mit aller Macht umweltfreundlichere Verfahren entwickeln: 1. damit wir weniger verbrauchen und 2. damit China und Indien ihrer Bevölkerung mehr Konsum erlauben können, ohne dass es zum ökologischen Zusammenbruch kommt.

Wenn das nicht geschieht, wird es früher oder später Verteilungskämpfe um Rohstoffe geben, gegenüber denen die Kriege von heute harmlos erscheinen werden."

und der vom 5.5.2007
"Macht es teuer, beim alten Schlendrian zu bleiben, und macht es cool etwas für die Umwelt zu tun! Dann haben wir eine Chance." (Begrenzung des Klimawandels ist möglich)

Wikipedia und Geschichte

 Es hat sich so ergeben, dass ich meine Texte zu unterschiedlichen Themenfeldern in unterschiedlichen Blogs veröffentlicht habe. Pädagogik, Lernen im Internet, Literatur, Politik, Philosophie und Religion bekamen eigene Blogs. Weil ich meine Texte zu Geschichte aber vornehmlich in Wikis veröffentlicht habe, habe ich keinen eigenen Blog dafür. Andererseits habe ich meinen Blog, in dem ich zu Wikipediathemen geschrieben habe, so lange vernachlässigt, dass er selbst schon ein bisschen historisch geworden ist, so dass ich beschlossen habe 

1. ihn hier zu verlinken

2. meine Texte zur Wikipedia hier mit einzubringen

So zum Beispiel mein Bedauern, dass, wie ich aus dieser Diskussion schließen muss, auch deswegen ein Mangel an Administratoren entstanden ist, weil Kandidaten beim Wahlvorgang durch sehr kritische Behandlung vergrault werden.

In meiner Anfangszeit in der Wikipedia hatte ich eher den Eindruck, dass Administratoren neue Benutzer vergraulen. (Freilich bemerkte ich dann, dass ein Administrator, der mir besonders unangenehm aufgefallen war, ganz aus der Wikipedia ausgeschlossen wurde.) Dass es jetzt eher umgekehrt läuft, ist deswegen sehr bedauerlich, weil ein großer Mangel an Administratoren herrscht und schon seit 2010 der Nachwuchs sehr stark zurückgeht, so dass nur 10% der heutigen Administratoren nach 2010 in die Wikipedia gekommen sind. 

(90 % der aktuellen Admins sind vor dem Jahr 2010 registrierte Benutzer.“ - Wikipedia-Kurier)

3. Texte zu Geschichte, insbesondere zu Büchern über Geschichte 

hier mit aufzunehmen. Zum Beispiel den über Gregorovius, einen weitgehend schon vergessenen Historiker:

 "Gregorovius’ monumentale Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter (1871), an der er über 18 Jahre lang arbeitete und für die er zahlreiche Archivalien erschloss, gilt als Klassiker der Geschichtsschreibung. Die von ihm verfassten Wanderjahre in Italien, die aus journalistischen Arbeiten hervorgingen, gelten in ihrer Wirkungsgeschichte für das Italienbild der Deutschen bis heute als wichtigster Beitrag nach Goethes Italienischer Reise.[1] Die darin enthaltenen Reiseberichte gehören größtenteils dem Genre der historischen Landschaftsbeschreibung an, das Gregorovius mit seinem Buch Corsica (1854) begründet hatte." (Wikipedia: Ferdinand Gregorovius)

F. Gregorovius Briefe

F. Gregorovius in seinem Jahrhundert 1 (Zeitenwende)

F. Gregorivius in seinem Jahrhundert 2 (Einführung)

F. Gregorovius Briefedition 3

F. Gregorovius und das Judentum 4

Gregorovius über die Huldigung der Juden für die Päpste des Mittelalters

Es fehlte im Mittelalter nicht an anderen Huldigungszeremonien, die den Juden auferlegt waren. Beim Fest der Besitznahme des erwählten Papstes vom Lateran mußten sie in festlicher Deputation ihm entgegenkommen, und man will wissen, daß sie schon den alten Kaisern in ähnlicher Weise verehrend sich darstellten. Die Hebräer opferten in ihrem Tempel zu Jerusalem, wenn der römische Kaiser den Thron bestieg, und brachten Gebete für ihn dar; so sagte schon Philo in seiner «Gesandtschaft an den Kaiser Cajus», daß die Juden dreimal für Caligula Opfer vollzogen hätten, das erstemal, als er den Thron bestieg, darauf, als er in gefährliche Krankheit verfiel, das drittemal für seinen Sieg über Deutschland. Daß auch die Juden in Rom das gleiche taten, ist natürlich, und schwerlich haben sie bei den Huldigungsfeierlichkeiten gefehlt, um vor dem Kaiser als Schutzflehende zu erscheinen und solche Duldung zu erbitten, wie sie ihnen von Augustus gewährt worden war.

Als nun an die Stelle der Kaiser die Päpste getreten waren, wechselten nur die Formen, nicht das Wesen der Zeremonien. Bei jeder Huldigung eines Papstes erschienen die Abgesandten der römischen Judenschaft, mit dem Pentateuch auf der Schulter, an dem Wege, wo der päpstliche Triumphzug vorüberkam. Man betrachtete sie nach dem Ausspruch des heiligen Hieronymus gleichsam als die Bibliothekare der christlichen Religion, weil sie das Alte Testament oder vielmehr das Gesetz in ihrer Bundeslade verwahrt gehalten hatten; und indem sie dem neuerwählten Papst als Schutzflehende nahten, taten sie dies, wie man sagt, teils weil ihre Väter in solcher Gestalt vor den Kaisern erschienen waren, teils weil sie, auf einen Messias und Befreier aus der Gefangenschaft hoffend, den jedesmaligen Papst daraufhin betrachteten, ob nicht er es sei, der sie von ihrem Joch befreien würde.

Seit Calixt II., der im Jahre 1119 von den Juden eine solche Zeremonie empfing, haben wir von jeder Huldigungsfeierlichkeit Nachricht. Allen brachten sie den Pentateuch auf der Schulter entgegen, so Eugen III., wie Alexander III. und Gregor IX., und sangen Lieder, zu ihrem Lobe. Cancellieri in seinem Werk «Storia de' possessi» (Geschichte der Besitznahme der Päpste) gibt darüber die besten Aufschlüsse aus den Tagebüchern der päpstlichen Zeremonienmeister.

Der Ort, an welchem die Juden sich aufstellten, wechselte. In der Zeit des älteren Mittelalters war es die Region Parione, einer der ältesten und wichtigsten Stadtteile Roms, diesseits der Hadrianischen Brücke gelegen, wo die Judenschaft den nach dem Lateran ziehenden Papst erwartete. So erzählt schon das alte lateinische Gedicht des Kardinals Giacoma Stefaneschi, welches die Huldigungsfeier Bonifacius' VIII. im Jahr 1295 beschreibt:

Ecce, super Tiberim positum de marmore pontem
Transierat, provectus equo; turrique relicta
De campo Judaea canens, quae caecula corde est,
Occurrit vesana duci Parione sub ipso,
Quae Christo gravidam legem plenamque sub umbra
Exhibuit Moysi. Veneratus et ille figuram
Hanc post terga dedit, cauto sermone locutus.
Ignotus Judaea deus, sibi cognitus olim.
Qui quondam populus, nunc hostis; qui deus et rex
Obnubi patitur, praesentem temnere mavis,
Quem fragilem reputas hominem, sperasque futurum,
Et latet ipse deus – –

Schon hatte er die marmorne Tiberbrücke hoch zu Roß überschritten. Als er am Turm vorüber war, kam ihm die wahnsinnige Judenschaft, Blindheit im Herzen, vom Campus her unter der Führung des Pario selbst entgegen und zeigte das Christus ärgerliche und schattenreiche Gesetz des Moses. Jener ehrte die Rolle, reichte sie hinter sich und sprach in wohlgemessener Rede: ‹Gott ist der Judenschaft unbekannt, obwohl er ihr einst bekannt war. Einst war er vom Volke geliebt, jetzt verhaßt. Dieser Gott und König muß sich verdunkeln lassen, denn du ziehst es vor, den Gegenwärtigen zu verachten, den du für einen vergänglichen Menschen hältst, und hoffst auf den Zukünftigen. Gott selbst aber bleibt dir verborgen.›.

Schon damals hatte dies Schauspiel dieselben Formen, wie sie später beobachtet wurden. Die Juden, Loblieder singend, warteten des im Triumphzug daherreitenden Papstes; sie boten ihm die Gesetzrolle dar, der Papst nahm sie, las einige Worte darin, reichte sie dann hinter sich und sagte: «Wir bestätigen das Gesetz, aber das jüdische Volk und seine Auslegung verdammen wir.» Hierauf ritt er weiter, und die Juden kehrten in ihre Wohnungen zurück. Niedergeschmettert oder zur Hoffnung belebt, je nach dem, was sie mit scheuer Furcht in den Augen des Papstes gelesen hatten. Entweder standen sie hinter der Hadriansbrücke, oder, wie es häufig geschah, an dem Platze, welcher Monte Giordano heißt. Obwohl dieser aus Schutt entstandene Hügel seinen Namen von Giordano Orsini, einem Edlen dieses alten römischen Geschlechts, empfangen hatte, der dort seinen Palast baute, so wählte man vielleicht um des Namens Jordan willen gerade diesen Ort für die Judenzeremonie; und dort standen die Nachkommen Israels, den prachtvoll in Gold gebundenen, mit einem Schleier bedeckten Pentateuch haltend, umringt vom verhöhnenden Volk und allen Mißhandlungen des Spottes oder Hasses ausgesetzt, bis der Papst erschien, und sie ihm kniend das Gesetz überreichten. Mit der Zeit wurde die Mißhandlung der Juden bei dieser Gelegenheit so groß, daß ihrem dringenden Flehen nachgegeben ward, und ihnen Innocenz VIII. Cibo zuerst im Jahre 1484 erlaubte, im innern Raum des Kastells Sant Angelo zu erscheinen. Die Feierlichkeit beschreibt der Zeremonienmeister Burkhard: «Als der Papst vorüberkam, hielt er nahe am Kastell Sant Angelo an, und die Juden, welche sich an die untersten Zinnen im Winkel des genannten Kastells gegen das Erdgeschoß zurückgezogen hatten, im Ornat und mit ihrem Gesetz, reichten es dem heiligen Vater zur Anbetung und Verehrung, mit hebräischen Worten ungefähr dieses Sinnes den Papst anredend: ‹Allerheiligster Vater, wir hebräischen Männer flehen Eure Heiligkeit im Namen unserer Synagoge an, daß wir gewürdigt werden möchten, daß uns das Gesetz, vom allmächtigen Gott dem Moses, unserm Priester, auf dem Berge Sinai übergeben, möge bestätigt und gebilligt sein, wie auch andere erhabene Päpste, die Vorgänger Eurer Heiligkeit, es bestätigt und gebilligt haben.‹ Es antwortete der Papst: ‹Wir billigen das Gesetz, aber euren Glauben und eure Auslegung verdammen wir, weil der, von dem ihr sagt, er werde kommen, gekommen ist, unser Herr Jesus Christus, wie die Kirche uns lehrt und predigt.› Nach vollendeter Zeremonie zogen sich die Juden zurück.»

Erinnert man sich, daß jenes Kastell Sant Angelo das Grabmal Hadrians war, des Kaisers, welcher Jerusalem zum zweitenmal von Grund aus zerstört und die Juden in die Sklaverei verkauft hatte, so stand auch dieser Ort zur Geschichte Israels in einer kränkenden Beziehung; denn das Andenken Hadrians hassen die Juden wie das des Titus.

Ausnahmsweise empfing Pius III. im Jahre 1503, weil er krank war, die Juden in einem Saal des Vatikans selbst. Julius II. empfing ihre Huldigung wieder am Grabmal des Hadrian, wobei sie einen langen Sermon machten, und besonders der spanische Rabbi Samuel, der Leibarzt des Papstes, mit Beredsamkeit sprach. Der Papst antwortete «prout in libello», das heißt nach Vorschrift des Zeremonienbuchs. 

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Endlich errichtete Paul IV. den Ghetto oder Judenzwinger. Bis auf seine Zeit hatten die Juden die, wenn auch nicht ausgesprochene Freiheit, überall in Rom zu wohnen. Natürlich wohnten sie sehr selten in der Mitte der Stadt, noch unter den Christen, ihren Hassern, zerstreut, sondern hielten sich beieinander in Trastevere und an dem Flußufer bis zur Brücke Hadrians. Nun wies ihnen der Papst, nach Art der Venezianer, ein streng abgesperrtes Quartier an, welches wenige enge Straßen unmittelbar am Tiber umfaßte und von der Brücke Quattro Capi bis zum heutigen «Platz der Tränen» reichte. Mauern oder Tore sperrten das Judenviertel. Man nannte es zuerst «Vicus Judaeorum», dann kam der Name Ghetto dafür auf, der nicht mit der venezianischen Benennung Guidecca zusammenzuhängen scheint und wahrscheinlich aus dem talmudischen Wort «Ghet» gebildet ist, welches Absonderung heißt. Es war am 26. Juli 1556, als die Juden Roms in diesen Ghetto zogen, weinend und seufzend wie ihre Vorfahren, da man sie in die Gefangenschaft führte.

So war Paul IV. Caraffa der grausame Pharao für die Juden Roms, welcher sie all den Übeln aussetzte, die aus Mangel an Raum und aus der niedern Lage der Wohnungen am Fluß entspringen mußten, und diese Übel waren Seuchen und das Fieber und ein ganzes Heer ägyptischer Plagen, deren Schrecken in Wahrheit schwer zu beschreiben sind. Als Caraffa im Jahr 1559 starb, und das römische Volk seine Wut an dem Toten auszulassen aufstand, das Haus der Inquisition plünderte und die Minerva, das Kloster der Dominikaner, stürmte, sah man auch die Juden, furchtsam Menschen, die sich an den Revolutionen selbst zur Zeit des Cola di Rienzo nie beteiligt hatten, aus ihrem Zwinger hervorkommen und Flüche auf das Andenken Pauls IV. schleudern. Ein Jude durfte es sogar wagen, der Statue des Papstes auf dem Kapitol den gelben Schandhut aufzusetzen; das Volk lachte, zertrümmerte die Bildsäule und schleifte ihren Kopf mit der Papstkrone durch den Kot. Welchem Schicksal aber die Juden Roms nach Einführung der neuen Ketzertribunale der Inquisition entgegengingen, wird derjenige wohl wissen, welcher mit der Geschichte jener Zeit bekannt ist. Viele Juden verbrannte man auf dem Platz der Minerva oder auf dem Campo dei Fiori, wo die Autodafés gehalten wurden. Es war die fürchterliche Zeit, da man auch Giordano Bruno lebendig verbrannte.

In den Ghetto eingesperrt, waren die Juden in fremdes Eigentum eingezogen. Denn die Häuser des Viertels gehörten Römern; auch angesehene Familien wohnten daselbst, wie die Boccapaduli. Ausziehend, blieben diese Eigentümer, jene Mieter. Weil sie aber für immer in jene Straßen eingesperrt wurden, mußten sie ein dauerndes Mietverhältnis feststellen, denn ohne dasselbe konnte sich für die Juden zweierlei Not ereignen: Obdachlosigkeit, wenn es dem Eigentümer einfiel, dem hebräischen Mieter zu kündigen; unerträgliche Verschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, wenn er darauf verfiel, den Zins zu steigern. So entstand das Gesetz, welches verordnete: die Römer bleiben im Eigentum der an die Juden vermieteten Wohnungen, aber jene haben die Häuser in Erbpacht; niemals darf dem jüdischen Einwohner die Miete gekündigt werden, sobald er den Zins richtig gezahlt; niemals darf der Zins erhöht werden; der Jude kann nach seinem Willen das Haus verändern und erweitern. Man nannte und nennt dieses noch heute bestehende Recht das «Jus Gazzagà». Kraft desselben ist der Jude im Erbbesitz des Mietkontrakts und darf diesen an Verwandte oder andere verkaufen, und noch heutigentags gilt es als eine köstliche Habe, im Besitz des Jus Gazzagà oder eines erblichen Mietkontraktes zu sein, und hochgepriesen wird das Judenmädchen, welches ihrem Bräutigam als Mitgift ein solches Dokument aufzuweisen imstande ist. So ward durch dieses wohltätige Gesetz dem Juden ein Dach gegeben, welches er gewissermaßen das seine nennen durfte.

Die Bulle Pauls IV. bestätigte Pius v. Ghislieri im Jahre 1566, er erließ strenge Verordnungen gegen das Herumschweifen der Juden, welchen befohlen ward, mit der Nacht im Ghetto sich wieder einzufinden. Denn nach Ave Maria schlossen sich unerbittlich die Tore des Zwingers, und Strafe traf den draußen Ergriffenen, wenn es ihm nicht gelang, durch Geld die Wächter zu bestechen. Im Jahre 1569 untersagte derselbe Papst den Juden, in anderen Städten des Kirchenstaats zu wohnen als in Rom und Ancona, da sie vordem auch in Benevent und Avignon geduldet waren. 

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