Ein Brief aus dem Jahre 1979, der glücklichen Zeit vor Hartz IV:
An das Zweite Deutsche Fernsehen [...]
Betreff: Bescheinigung über Nebeneinkommen
Bez.
Vertrags-Nr.: 09522 vom 22.12.78 [...]
Sie
waren so freundlich, mir im Januar dieses Jahres 200 DM als Honorar
für den oben angegebenen Vertrag zu überweisen. Da ich nun zur Zeit
arbeitslos bin und folglich verpflichtet, dem Arbeitsamt jegliches
eigene Einkommen anzugeben, wenn ich nicht fürchterlicher
Strafen gewärtig sein will, habe ich den Erhalt dieser 200 DM
pflichtschuldig dem Arbeitsamt gemeldet. Damit nicht zufrieden,
fordert dieses aber noch eine Bescheinigung über Nebeneinkommen von
mir, die auf einem vorgeschriebenen Formular des Arbeitsamtes zu
erfolgen hat. Leider hatte ich aber die Vertragskopie, die sie mir
freundlicherweise überlassen haben, verlegt und konnte also zunächst
dem Verlangen des Arbeitsamtes nicht nachkommen. Als ich sie aber
endlich fand, erschreckte mich der Satz "Bitte diesen Vertrag
aufbewahren, da wir keine Verdienstbescheinigungen ausstellen"
außerordentlich. Da das Arbeitsamt trotzdem auf der
Verdienstbescheinigung besteht, fürchtete ich, vielleicht einen
falschen Vertrag erwischt zu haben: Was Sie da über verschiedene
Vertragsformen und Steuersorten zu den Verträgen angegeben haben,
hatte ich nämlich keineswegs verstanden. Und das Formular vom
Arbeitsamt war auch nicht gerade sehr verheißungsvoll. Zum Beispiel
wollen die Leute da die Nettovergütung erfahren "nach Abzug der
Steuern, der Sozialversicherungsbeiträge und der Beiträge zur
Bundesanstalt für Arbeit". Davon habe ich natürlich nichts
bezahlt und auf dem Vertrag steht so etwas auch nicht drauf. Ob der
Vertrag deshalb falsch ist? – Über dieser meiner Ratlosigkeit
verging jedenfalls die Zeit.
Nun
hat das Arbeitsamt zugeschlagen und mir das Geld entzogen,
rückwirkend, wegen Erschwerung der "Ermittlungen über das
Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen". Allerdings ist es so
gnädig, prüfen zu wollen, ob es "die Leistung nachträglich
ganz oder teilweise erbringen kann", wenn ich meine "Mitwirkung"
nachhole und die Nebenverdienstbescheinigung jetzt einreiche.
Da
nun die Aussicht, monatelang ohne jeden Pfennig Geld dazu stehen und
keine Miete bezahlen zu können, alles andere als erfreulich ist,
bitte ich Sie, möglichst rasch diese ominöse
Nebenverdienstbescheinigung auszufüllen und mir zuzuschicken, damit
ich das Arbeitsamt zufrieden stellen kann. – Hoffentlich ist der
Vertrag doch richtig!
Schade!
Eigentlich hatte ich mich ja gefreut, als ich das Geld erhielt. Aber
inzwischen ist mir die Freude gründlich vergangen. – Als
Arbeitsloser lebt man eben gefährlich!
Man kann sich denken, dass der Brief nicht von mit stammt. Ich war zu diesem Zeitpunkt verbeamtet auf Lebenszeit. Beachtlich scheint er mir, weil die schreibende Person aus Furcht vor der Institution sich nicht traute, dem Arbeitsamt mitzuteilen, weshalb sie die Anforderungen nicht ganz, sondern nur halb erfüllen könne. Dabei handelte es sich um eine Person, die - wie aus ihren Formulierungen hervorgeht - durchaus sprachmächtig war.
Wie sehr wäre sie an den Anforderungen seit der erfolgreichen Agenda 2010 gescheitert?
Welche Schwierigkeiten hätte sie, rechtswirksam mitzuteilen, dass sie nicht zur Organspende bereit ist?
Wie viel mehr Schwierigkeiten hätte eine Person, die weniger sprachmächtig ist?
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