Immer mehr Wettbewerbe, immer mehr Kämpfe, wo es auf Kampfgeist und letzten Einsatz und nicht auf Spielverständnis, Eleganz und Spielfreude ankommt.
Der Kader an Spielern, die erst zum Einsatz kommen, wenn die Spitzenspieler aufgrund der Dauerbelastung verletzt ausscheiden, entscheidet immer häufiger über den Tabellenplatz, bei dem Zusatzeinnahmen durch internationale Auftritte erzielt werden können.
"Historisch" können für Vereine ein dritter, vierter oder fünfter Platz sein, wenn sie verhindern, dass das im Verein geförderte Talent wegen zu großem Talent zu reicheren Vereinen im In- oder Ausland abwandert.
Es hat etwas Entlastendes, wenn in Zeiten, wo Kriege und Misswirtschaft auf die Stimmung drücken, ein historischer Triumph oder eine verheißungsvolle Serie oder eine große Begabung gefeiert werden können. Ablenkung von der Wirklichkeit, wie sie Kindern in immer reicherem Maße das Smartphone ermöglicht. Meins meldet mir niedrigste Bildschirmzeiten vor allem, wenn ich mal wieder zu lange am Computer gesessen habe.
Die Vielzahl der Kriege, von denen Ukraine und Gaza für Europa wegen ihrer großen Nähe eine Sonderstellung einnehmen, und den Klimawandel kann man für eine Zeit mit Bilderflut und Shitstorms verdrängen.
Über "historischen" Erfolge (für die Vereinskasse) kann man eine Zeit lang die Geschichte vergessen. Eine rosige Zukunft?
Der europäische Dachverbandes Uefa kann jährlich mit Einnahmen von rund 4,4 Milliarden Euro rechnen. "Von diesem Batzen gehen 285 Millionen an die Vereine der Conference League, 565 Millionen Euro an die Europa-League-Teilnehmer – und ungeheuerliche 2,47 Milliarden Euro an die Klubs, die sich für die Königsklasse [Champions League] qualifizieren konnten." (Ran an die ganz dicken Fleischtöpfe FR 20.5.2025)
Über gewalttätige Fußballfans (ZEIT Nr.20 15.5.25)
"[...] Man kann das Problem auch in Zahlen ausdrücken, die von der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze der Polizei nach jeder Fußballsaison zusammengetragen werden. Demnach wurden in ganz Nordrhein-Westfalen 1.846 Strafverfahren während der Saison 2023/24 eingeleitet, 163 mehr als im Jahr zuvor. Bundesweit waren es 7.351 Strafverfahren in der Saison 2023/24, das sind 802 mehr als zuvor. Die Zahl der verletzten Menschen stieg auf 1.509. Die Statistik weist seit Langem in eine Richtung: aufwärts. [...]
"Die Ultra-Chefs, das sind nicht Leute ohne Zähne, die La Paloma pfeifen", sagt Richard Kraschinski, der einen kleinen Schalke-Fanclub leitet. "Das sind angesehene Persönlichkeiten." Leitende Angestellte aus Unternehmen sind dabei, Ingenieure, Studenten, Schüler, sogar Rechtsanwälte. An Spieltagen hält sich auch die "Königsblaue Hilfe" in der Nähe auf: Anwälte kümmern sich um Fans, die mit der Staatsmacht aneinandergeraten sind. [...]
Wer sind die Ultras? Das ist schwer zu ergründen. Die meisten sind zwischen Anfang
20 und Mitte 40, viel jünger als die Hooligans, die für Auseinandersetzungen zu alt
geworden sind und den Ultras das Feld überlassen haben.
Sie haben etwas, das man ihnen nicht gleich zutraut: eine sanftmütige Seite.
Der Chef der Schalker Ultras beteiligt sich in der Klinik, in der er arbeitet, an
Maßnahmen zur Gewaltprävention. In der Adventszeit baute seine Truppe auf einem Marktplatz in Gelsenkirchen ihren Stand auf, verkaufte heiße Getränke und Crêpes,
spendete den Erlös der AWO, einem Kinderhaus und der Tafel Gelsenkirchen. [...]
Anspielungen auf das Verhältnis zur Gewalt findet man auf ihrer Homepage. Etwa,
wenn es über eine Begegnung mit Fans des Erzrivalen Borussia Dortmund heißt:
Man habe "dem Feind die Gelegenheit" geboten, "Fakten zu schaffen". Aber die
Kontrahenten hätten sich nicht getraut. "Um es mit einem Dortmunder Lied
auszudrücken: ›Die Schalker, die wollten uns schlagen, doch wir wollten lieber nach Haus ...‹"
Eine krude Mischung, empathisch und brutal zugleich
Je länger ich mich über die Ultras informiere, desto mehr kommen sie mir wie eine
Sekte vor, die das Gute im Bösen vergräbt – und das Böse im Guten. Eine krude
Mischung, empathisch und brutal zugleich, heute Caritas, morgen Hells Angels.
Sie nehmen für sich in Anspruch, die Seele des Vereins zu verkörpern, und diese
Seele hat Abgründe zum Vorschein gebracht. Ein Video vom Februar vergangenen
Jahres zeigt den Aufmarsch schwarz vermummter Schalker Schläger vor einem
Bahnhof in Magdeburg. Es entwickelte sich eine Massenkeilerei mit Magdeburger
Fans. Selbst niedergeknüppelte Menschen wurden noch getreten. [...]
Sogar ein Polizist, der den Verein Arminia Bielefeld vergötterte, mischte an Wochenenden heimlich als Hooligan mit und trat montags mit ein paar Schrammen im Gesicht den Dienst auf der Wache wieder an. Später schrieb er darüber ein Buch, das einen vielsagenden Titel trägt: Gewalt ist eine Lösung. In Dresden ist ein fußballverrückter Boxtrainer verurteilt worden, dem 45 Straftaten binnen 100 Minuten nachgewiesen wurden. [...]"