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13.11.24

Albrecht Schöne und der internationale Germanistenkongress 1985 in Göttingen

 Ein Zeitungsartikel mit drei parodistischen Interpretationen zu Morgensterngedichten (Die ZEIT13.9.1985) erinnerte mich an den Internationalen Germanistenkongress, der am Ende von Albrechts Schönes  Präsidentschaft (1980-85) der Internationalen Vereinigung für Germanische Sprach- und Literaturwissenschaft  stattfand. Das war Anlass, in Schönes Erinnerungen von 2020 hineinzusehen. 

Der jetzt 99-jährige Germanist ist, erst nachdem meine Schwestern und ich die Universität Göttingen verlassen haben, zu seinem internationalen Ruf als "Repräsentant der Nachkriegsgermanistik" (der zu Schönes Anfängen zumindest in der Bundesrepublik noch Benno von Wiese hatte) aufgestiegen. Die jüngere meiner beiden Schwestern hat ihn noch als höchst jugendlich wirkenden Ordinarius als Bibliotheksaufsicht des Seminars kennengelernt  und beinahe aufgehalten, weil er, ohne einen Studentenausweis vorzuweisen, einfach in die Seminarbibliothek ging. Wir alle drei waren von ihm fasziniert, und weil ich meine Begeisterung über seine Erinnerungen nicht mehr mit meinen Schwestern teilen kann, will ich wenigstens der kleinen Leserschaft dieses Blogs mitteilen, wie sehr mich die Erinnerung an seine hervorragenden Vorlesungen, seine stets sehr präzise, bühnenreife Artikulation und eindrucksvolle Persönlichkeit wieder in Bann gezogen hat. 

Natürlich sind es auch die Erinnerungen an unsere Göttinger Zeit und die kurzen Erwähnungen einiger seiner Kollegen, die ich damals kennengelernt habe. So das einflussreiche Dreigestirn der Historiker Alfred Heuß*, Percy E. Schramm* und Hermann Heimpel* (S. 204-207)

* Dieser höchst selbstbewusste  Hanseat wurde bereits 1958 wie Schöne 1990 in den Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste aufgenommen. Ich erinnere mich, wie er - als er einmal eilig den Vorlesungssaal verlassen wollte und nicht die Geduld hatte, sich durch die Menge der Hinausgehenden hindurch zu schlängeln, über die Tische der Bankreihen hinweg hoch über uns dem Ausgang zueilte. 

Ein andermal sein Bericht, dass man früher, wenn man in Washington war, wie es sein Vater oder Großvater getan hatte, einfach mal zum ersten Stock des Weißen Hauses hinaufgehen und mit dem Präsidenten sprechen konnte. Vergleichbar mit der Raumsituation Konrad Adenauers in Bonn, wo sein Arbeitsraum ähnlich klein und so wenig repräsentativ wie der eines Schuldirektors war. Alles andere als das, was den Krupps nach dem Bau der Villa Hügel in Essen (Einzug am 10.1.1873) zur Verfügung stand.

* Bei seinen anschaulichen, sehr klaren Vorlesungen konnte man am besten mitschreiben. Sie waren auch immer wieder einmal mit witzigen Bemerkungen geschmückt. Etwa über den Konflikt zwischen Rom und Karthago, als sich für Rom die Gelegenheit für einen Kriegsgrund ergab: "Die einen sagten, 'Das ist ein As', die anderen, 'Das ist der schwarze Peter'.

* Er sagte über seien frühen Vorlesungsbeginn um 8:00 Uhr, es sei so ein schönes Gefühl, wenn man danach im Café sitze und sich sagen könne, jetzt sei schon ein wichtiger Teil der Arbeit des Tages getan. Über die Übersetzung der Goldenen Bulle Friedrichs II. durch seinen Kollegen Walther Hubatsch mit erhobener Stimme: 'Er hat den abl. abs. nicht erkannt!'. - Mir hat er, als ich - wegen meines Weggangs nach Berlin - den Termin für eine Fleißprüfung nicht wahrnehmen konnte, diese (in einem Brief nach Berlin) erlassen, 'weil ich gewiss seine Vorlesung  sorgfältig nachgearbeitet' hätte. Ob er wusste, dass sein Kollege Heuß mich statt über seine Vorlesung über die von Heimpel geprüft hatte? Mit großem Interesse habe ich seine Autobiographie "Die halbe Violine" gelesen.

12.11.24

Zeitungsausschnitte aus den frühen 1990ern

Ich habe in meiner Hängeregistratur viele nach Schlagworten geordnete Zeitungsausschnitte aus den Jahren 1979 - 1993 (oder etwas mehr) entdeckt und finde einen Artikel über den US-Bürgerkrieg vom 26.4.1991 "Wiedervereinigung auf amerikanisch" von Stig Förster Untertitel: Die misslungene 'Reconstruction'   nach dem Bürgerkrieg (1865-1877): Der Süden blieb weit hinter dem Norden zurück
Weil man die weißen Plantagenbesitzer zu sehr gewähren ließ, scheiterte der Wiederaufbau.
Das Gegenteil der Perspektive von "Vom Winde verweht". Ich will den Artikel, wie mein Bruder es machte, in  mein Exemplar von "Vom Winde verweht" einlegen und stelle fest: Ich habe das Buch ja nur elektronisch. Also an das Zeitarchiv Ausgabe vom 26.4.1991. Der Artikel ist nicht drin.
Dabei ist der Artikel mit seiner Warnung vor dem Scheitern der Wiedervereinigung und der Warnung vor dem Zerfall der Gesellschaft der Südstaaten erschreckend aktuell. 
"Der Wiederaufbau des Südens nach dem Bürgerkrieg endete also mit einem grandiosen Fehlschlag. Denn es fehlte der weißen Bevölkerungsmehrheit an Reformwillen und dem Norden an der Entschlossenheit zur radikalen Reform. Der Süden verfiel in Stagnation, welche in der Region in weiten Teilen heute noch anhält."
Freilich, die Parallele zur deutschen Situation 1991 - so Förster - sei nur minimal,  "daher vielleicht eher ein Menetekel für die Zukunft Südafrikas".

Natürlich, Geschichte wiederholt sich nicht; aber der Zufall hat mir zusammen mit Heitmeyers Blick auf den Rechtsradikalismus von 1992 einen anderen Blick auf die Entwicklung der AfD ermöglicht. 

Jetzt muss ich sehen, ob ich den so erweiterten Blick irgendwie festhalten kann oder es bleiben lasse.
Für das Zeitungsausschnittesammeln für den Unterricht hat sich mit dem Internet eine Alternative geboten; aber: Doch die Vorstellung "Das Papierarchiv wird durch Computer und Internet ersetzt" ist offenbar eine Illusion. Man kommt um die Auswahl nicht herum. 

8.11.24

Erinnerungen

 Enkel, Kinder und Nichte waren da und es kommen Gespräche über Kindheit und Jugend auf: "Ja, Mama und Papa waren auch mal so klein wie du; da waren Oma und Opa für uns wie für euch Mama und Papa." 

Und dann kommen Kindheits- und Jugenderinnerungen herauf, die eine Generation weiter zurück reichen: Das Lied von der Glocke, Reineke Fuchs und "Die Affen rasen durch den Wald". Einerseits Weimarer Klassik und andererseits ein Mundorgellied. Stilistisch weit auseinander. Doch Reineke Fuchs gehört in die Kinderzeit mit den Illustrationen, wo das Löwenkleinkind auf dem Töpfchen sitzt, die Glocke in die spätere Kinderzeit und in die Schulzeit, wo auch die Mundorgel auftauchte.

Im Alter gönnt man der Volksdichtung und der geordneten Bürgerlichkeit, denen sich die Klassiker zuwandten, wieder ihr Recht neben Iphigenie, Faust und Wallenstein. Und dem jugendlichen Blödsinn wie den rasenden Affen wie "Dunkel war's, der Mond schien helle". (sieh auch Wikipedia)