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14.6.23

Frauenrolle, Männerrolle. Vom Umgang der Geschlechter miteinander

Anlässlich der Beschäftigung mit Christoph Martin Wieland fällt mir auf, welche Frauenschicksale am Wege der vorehelichen Entwicklung eines Dichter liegen, dem man ein für damalige Verhältnisse relativ gutes Einfühlungsvermögen in Frauen glaubt nachsagen zu dürfen: Sophie Gutermann, 'die einzige Liebe', Julie von Bondelie,* die er geisterte*, Christine Hogel*.

*"Julie Bondelie war eine Frau, die alle anderen Frauen, die Wieland kennen gelernt hat, in den Schatten stellte. Sie war eine Intellektuelle, für die es in der Welt, in der sie zu leben gezwungen war, keinen Platz gab. Das wusste sie. Sie bezeichnete sich als 'femme philosophe' und 'Platon de jupe' und ironisierte, dass man sie darob bestaunte, indem sie sich mit einer Zirkusattraktion, einer Art Rhinozeros, verglich. Sie bewegte sich in den Berner intellektuellen und kolloquialen Zirkeln, von denen es mehrere gab und an denen teilzunehmen keine männliche Domäne war. Dennoch machte sie sich keine Illusionen darüber, dass dort, wo der eigene intellektuelle Status dauernd der Rede wert ist, in der Bewunderung auch immer die Verwunderung hinein spielt, dass eine Frau so etwas kann 'sans ridicule'. Sie kannte das Prekäre ihrer Existenz. Davon, sie noch prekärer zu machen, indem sie schrieb und veröffentlichte, sah sie ab, obwohl man ihr das durchaus zutraute und sie auch dazu ermunterte." (Reemtsma: Wieland, S.91)

* So bezeichnet man es im aktuellen Sprachgebrauch, wenn jemand eine intensive Beziehung ohne jede Erklärung abbricht und nichts mehr von sich hören lässt. Das Wiktionary bringt bei 'geistern'  im allgemeinen Sprachgebrauch den Beispielsatz: "Mir geistert immer wieder die gleiche Frage durch den Kopf: wieso?" Sehr passend für die so verlassene Person. 

*"1764 brachte diese von ihm ein Kind zur Welt; da eine Heirat mit einer katholischen Bürgerstochter für Wielands Familie jedoch unter keinen Umständen infrage kam, beendete er die Beziehung. Seine uneheliche Tochter Caecilia Sophie Christine starb früh." (Wikipedia)

Theodor Fontane hatte an zwei Frauen Alimente zu zahlen. Über seine Frauengestalten schreibt er in einem Brief: " Ich war nie ein Lebemann, aber ich freue mich, wenn andere leben, Männlein wie Fräulein. Der natürliche Mensch will leben, will weder fromm noch keusch noch sittlich sein, lauter Kunstprodukte von einem gewissen, aber immer zweifelhaften Wert, weil es an Echtheit und Natürlichkeit fehlt. Dies Natürliche hat es mir angetan, ich lege nur darauf Gewicht, fühle mich nur dadurch angezogen, und dies ist wohl der Grund, warum alle meine Frauengestalten einen Knacks weghaben. Gerade dadurch sind sie mir lieb, ich verliebe mich in sie, nicht um ihrer Tugenden, sondern um ihrer Menschlichkeiten, d.h. um ihrer Schwächen und Sünden willen."

Er war kein Lebemann, aber er genoss als Mann das Privileg, natürlich sein zu dürfen, ohne danach für sein Leben gezeichnet zu sein, 'einen Knacks wegzuhaben'.

"Goethe und die Frauen" war nicht ohne Grund lange ein beliebtes Thema bei Goethespezialisten.