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19.12.25

Günter Wallraff

 Ein Zeitungsbericht über Wallraff und ein Auszug aus dem Wikipediaartikel zu "Ganz unten" findet sich hier

Ich will bei Gelegenheit mehr dazu schreiben. Hier nur so viel:

Als ich las 83 Jahre, so wenig älter als ich und dann so eine Lebensleistung, so viel Leben in einem Leben.

Was hat er alles aufgedeckt. Wie viel wurde verändert. Wie viel kam in veränderter Form wieder zurück.

Er sagt über sich selbst: "Ich möchte zu denen gehören, die nicht dazugehören".

Über aktuellen Problemen hat man ihn vergessen. Welcher Einsatz und welche Kritik.

"Kurz nach Erscheinen des Buches spazierte Aysel Özakin an einer Berliner Buchhandlung vorbei. Sie lebte seit knapp fünf Jahren in Deutschland, sie war eine bekannte und mit Literaturpreisen ausgezeichnete Schriftstellerin aus der Türkei. Im Schaufenster schaute sie vom Buchdeckel das finstere Gesicht des als Ali verkleideten Günter Wallraff an. Es war der Moment, in dem sie beschloss, Deutschland zu verlassen.

"Als ich dieses Gesicht sah, konnte ich einfach nicht mehr", sagt Özakin heute. Sie ist, wie Wallraff, 83 Jahre alt und lebt mittlerweile in Los Angeles.

Seit ihrer Ankunft in Berlin habe sie versucht, dort als Schriftstellerin anerkannt zu werden. Doch immer sei sie von den Buchhändlern ins Regal der Gastarbeiterliteratur einsortiert worden. Nach dem Erfolg von Ganz unten habe sie das Gefühl gehabt, dass sich daran auch nichts mehr ändern würde. "Wegen des Buchs glaubten die Deutschen, alle Türken seien so wie von Wallraff dargestellt: arm, unterdrückt und ungebildet. Und weil sie so sind, muss man sich um sie kümmern. Das fand ich bevormundend."

Sie selbst habe nach der Veröffentlichung einen Zettel in ihrer Wohnung gefunden, ein Nachbar hatte ihn unter der Tür durchgeschoben: "An Ihrem Namen erkenne ich, daß Sie Türkin sind. Ich habe Ganz unten gelesen und mich entschlossen, einem Türken zu helfen. Ich wohne im ersten Stock."

Bald darauf packte sie ihre Sachen und zog nach England. Bereut habe sie den Wegzug nie, sagt Özakin. Sie sei Wallraff auch nicht böse. "Er hat nur seinen Job gemacht." Er sei Journalist und habe als Journalist nun mal diese Perspektive gewählt, um über Türken zu schreiben. "Das Problem war, dass diese Perspektive so riesengroß in Deutschland wurde." ("Ich möchte zu denen gehören, die nicht dazugehören"  ZEIT Nr.54, 16.12.2025)

Sie erfährt die Zurücksetzung, gegen die er anschreibt, und ist ihm nicht dankbar dafür, dass er das tut, weil sie selbst anderer Gegenstände hat und mit denen in Deutschland nicht ankommt. Sie erfährt, dass sie in Großbritannien und den USA mit ihren Themen besser ankommt.