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1.5.21

Keller: Martin Salander

 Nach dem Bekenntnis meines Deutschlehrers, der alles gelesen hatte*, dass er dies Buch als zu langweilig beiseite gelegt habe, glaubte ich mich berechtigt, nicht hineinschauen zu müssen. 

Das hatte gewiss seine Berechtigung. "Kein Mensch muss müssen." Aber nachdem ich heute in  Fontanes Briefen unter dem 10.12.1886 über Martin Salander gelesen habe: "von Heft zu Heft mit größtem künstlerischen Behagen gelesen, er ist einer der Wenigen, die einen nie im Stich lassen, gleichviel welche Wege sie gehn, [...] wie Sterne kann er thun, was er will, weil seine dichterische Persönlichkeit [...] alles siegreich herausreißt" will ich doch wenigstens den Versuch machen. Also:

"Ein noch nicht bejahrter Mann, wohlgekleidet und eine Reisetasche von englischer Lederarbeit umgehängt, ging von einem Bahnhofe der helvetischen Stadt Münsterburg weg, auf neuen Straßen, nicht in die Stadt hinein, sondern sofort in einer bestimmten Richtung nach einem Punkte der Umgegend, gleich einem, der am Orte bekannt und seiner Sache sicher ist. Dennoch mußte er bald anhalten, sich besser umzusehen, da diese Straßenanlagen schon nicht mehr die früheren neuen Straßen waren, die er einst gegangen; und als er jetzt rückwärts schaute, bemerkte er, daß er auch nicht aus dem Bahnhofe herausgekommen, von welchem er vor Jahren abgefahren, vielmehr am alten Ort ein weit größeres Gebäude stand." (Keller: Martin Salander, 1. Kapitel)

*Auch von der Gegenwartsliteratur las er fast alles, auch wenn er später im privaten Gespräch meinte, die Deutschstunde von Siegfried Lenz sei das Lesen nicht wert gewesen, er habe sie nur gelesen, weil er während seiner Dienstzeit als Deutschlehrer alles, was im Gespräch gewesen sei, habe kennen müssen (ein Urteil, das ich so nicht nachvollziehen konnte).

Ich werde mir also den Salander als Abendlektüre vornehmen und sehen, wie weit ich komme. 

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