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25.3.24

Matthias Claudius, Jacobi und Goethe

 Anhand des Exemplars von Claudius' sämtlichen Werken habe ich nachgelesen, dass er im 5. Band seines Asmus omnia sua secum portans 1786 bei einer Kontroverse zwischen Moses Mendelssohn und Friedrich Heinrich Jacobi über Lessings Auffassung von Spinoza recht vernünftig argumentierend Jacobi Recht gibt (S.350-360). Jacobi, der in der Literaturgeschichte als unverständiger Kritiker des Werther und Verfasser des trockenen Woldemar bekannt ist, in der Wikipedia aber als einer der wichtigsten Philosophen seiner Zeit vorgestellt wird.

WikipediaDiese Debatte setzte sich der Sache nach fort in Jacobis zweiter philosophischer Hauptschrift, dem 1787 erschienenen Dialog David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus. Hierin unternahm Jacobi eine fundamentale Bestimmung von Wirklichkeit, in der er sich, ebenso wie schon in seiner Auseinandersetzung mit Spinoza, in wesentlichen Punkten an der Erfahrung menschlichen Handelns orientierte. Darüber hinaus enthält der David Hume insbesondere in seiner Beilage Über den transzendentalen Idealismus die nicht weniger einflussreiche Kritik Jacobis an Kants Lehre vom „Ding an sich“ als jene doppelt problematische „Voraussetzung“, von der Jacobi in prominenter Formulierung bemerkte, „daß ich ohne jene Voraussetzung in das System nicht hineinkommen, und mit jener Voraussetzung darinn nicht bleiben konnte.“[15] Dies gilt nach Jacobi deshalb, weil ohne die Annahme von „Dingen an sich“ als Grund der sinnlichen Affektion Kants Konzept der Sinnlichkeit und damit die Zwei-Stämme-Lehre der Erkenntnis unverständlich bleibe, diese Annahme zugleich aber den systematischen Rahmen des transzendentalen Idealismus sprengen würde. Diese Diagnose Jacobis ist bis in die neueste Zeit „niemals mit textnahen Gründen zurückgewiesen worden.“[16][Peter Baumanns: Kants Philosophie der Erkenntnis. Durchgehender Kommentar zu den Hauptkapiteln der „Kritik der reinen Vernunft“, Würzburg 1997, 10.] Zugleich formulierte Jacobi mit seinem eigenen sowohl Kants transzendentalem Idealismus als auch einem später in Fichtes Wissenschaftslehre realisierten „spekulativen Egoismus“[17] entgegengesetzten „entschiedene[n]“[18] Realismus eine Position von unverminderter Relevanz. Jacobi ging es um die unmittelbar gegebene Gleichursprünglichkeit der Selbsterfahrung des erkennenden Subjekts sowie der zu erkennenden Gegenstände: „Ich erfahre, daß ich bin, und daß etwas ausser mir ist, in demselben untheilbaren Augenblick“[19], heißt es entsprechend im David Hume.[20]"

Dieser selbe Jacobi wurde offenbar von Goethe als Gesprächspartner ernst genommen und als sein "Freund" bezeichnet wird, obwohl er Goethes Ansichten nicht akzeptierte.

Wikipedia (Goethe#Religionsverständnis): "Zwar beschäftigte Goethe sich intensiv mit Christentum, Judentum und Islam und deren maßgeblichen Texten, doch wandte er sich gegen jede Offenbarungsreligion und gegen die Vorstellung eines persönlichen Schöpfer-Gottes. Der Einzelne müsse das Göttliche in sich selber finden und nicht einer äußeren Offenbarung aufs Wort folgen.[236] Der Offenbarung setzte er die Anschauung entgegen. Navid Kermani spricht von einer „Religiosität der unmittelbaren Anschauung und allmenschlichen Erfahrung“, die „ohne Spekulation und fast ohne Glauben“ auskomme.[237] „Natur hat weder Kern noch Schale / Alles ist sie mit einem Male“, heißt es in Goethes Gedicht Allerdings. Dem Physiker. von 1820, womit er betonte, dass die Natur in der Gestalt zugleich ihr Wesen zeige. Auf Friedrich Heinrich Jacobis Schrift gegen Spinoza hatte er 1785 dem Freund geantwortet, ein göttliches Wesen könne er nur in und aus den Einzeldingen erkennen, Spinoza „beweist nicht das Dasein Gottes, das Dasein ist Gott“.[238] In einem weiteren Schreiben verteidigte er Spinoza mit den Worten: „Ich halte mich fest und fester an die Gottesverehrung des Atheisten […] und überlasse euch alles was ihr Religion heisst“.[239]

In seinen Naturstudien fand Goethe für sich Grundfesten der Wahrheit. Immer wieder bekannte er sich als Pantheist in der philosophischen Tradition Spinozas und als Polytheist in der Tradition der klassischen Antike.[240] Diesbezüglich ist zu beachten, dass Wolfgang Bartuschat aufzeigt, dass die Philosophie Spinozas zwar als Monismus zu verstehen ist, dieser spinozistische Monismus ist aber nicht gleichzusetzen mit einer Sakralisierung der Natur, wie sie Goethe an den Tag legt.[241] Diese Vergöttlichung der Natur bei Goethe zeigt sich konkret darin, dass er in der Erforschung der Natur auch die Ergründung des Göttlichen sieht. Aus diesem Grund ist herauszustellen, dass Goethe eine bestimmte Interpretation Spinozas aufweist. Im Briefwechsel mit Friedrich Heinrich Jacobi tauscht sich Goethe im Jahr 1774 über die Philosophie Spinozas aus.[242] Für Jacobi ist Goethes Naturanschauung ein Determinismus, der den freien Willen des Menschen verstanden als autonome Selbsttätigkeit negieren würde.[243] Nach Jacobi zeigt sich diese autonome Selbsttätigkeit des Menschen in der erfahrbaren Lebenswirklichkeit im Handeln.[244] Ein alleinheitlicher Existenzhorizont führt Jacobi zufolge zu einem deterministischen Menschen- und Weltbild und ist daher anthropologisch zu problematisieren. Für Goethe stellt sich diese anthropologische Problematisierung auf diese Weise nicht, da er je nach Diskussionszusammenhang unterschiedliche Ansichten vertritt.

„Wir sind naturforschend Pantheisten, dichtend Polytheisten, sittlich Monotheisten.“

– Maximen und Reflexionen[245]"
Im weiteren Verlauf habe ich den im Nachwort angesprochenen scherzhaften Bericht von Claudius beim japanischen Shogun [von ihm als Chan und Kaiser bezeichnet] im 3. Teil des Asmus (1778), S.134-149, bei dem das angebliche Japanisch, zu dem auch noch Ausspracheregeln angegeben werden, immer grotesker verkürzt wird und später auch ganz fortfällt.

Im Verlauf meiner Lektüre fällt mir dann auf, dass Claudius mit Jacobi gereist ist, Lessing kannte (aber wohl zu seinen Freunden zählte) und Mendelssohn nicht kannte. Den Fehler, den er Mendelssohn vorwarf, nämlich die Verteidigung seines Freundes Lessing über die Wahrheit zu stellen, hat er vielleicht, so vernüngtig Claudius zu argumentieren scheint, selbt begangen.

Für mich vor allem eine bessere Kenntnis von Claudius und Jacobi das Ergebnis. Das Claudius als tiefgläubiger Christ dem Juden Mendelssohn und dem Vertreter der Vernunftreligion bei aller gelebten Aufklärung, zu deren Vertretern außer den Vorgenannten ja auch Jakobi gehört, sollte mich das nicht zu sehr wundern.

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