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14.10.20

Meine Schülerzeit

 Aus einer schulöffentlichen Diskussion:

Der Lateinlehrer: "Macht schafft Recht."

Der Religionslehrer und Direktor sehr energisch: "Macht schafft Unrecht."

Das weitere Gespräch bracht meiner Erinnerung nach: Macht schafft "positives Recht", das für viele ein Unrecht bedeutet, aber sich als neue Wirklichkeit etabliert.

An einem nahe liegenden Beispiel demonstriert: Der Absolutismus mit ständischen Vorrechten und mangelnder Gesetzesbindung des Souveräns war zutiefst ungerecht. Die Französische Revolution proklamierte die Menschenrechte und beseitigte den absoluten Herrscher. Dieser Prozess führte zur Schreckensherrschaft, zu tausendfachem Unrecht. Napoleon nahm in den Code civil rechtliche Regelungen auf, die die Ständeherrschaft weitgehend beseitigten, und verbreitete dieses Recht mit Gewalt in erheblichen Teilen Europas.

Ein ganz aktuelles Beispiel; Im Kampf gegen das Coronavirus werden Menschenrechte zeitweise eingeschränkt, das führt zu Unrecht, das durch das Bundesverfassungsgericht in den Schranken der Verhältnismäßigkeit gehalten wird (oder werden soll - je nach Sichtweise des aktuellen Betrachters). 

Für mich war diese schulöffentliche Diskussion (Ab welcher Klassenstufe des Gymnasiums durften Schüler teilnehmen? Ich weiß nur, dass ich als Schüler zugehört habe, aber nicht, ob Schüler mitdiskutiert haben, halte das aber für nicht unwahrscheinlich.) - diese Diskussion war für mich insofern ein Erlebnis, als die Autoritäten (die Lehrer) sich da gegenseitig in Frage gestellt haben, natürlich in zivilisierter Form. Das war eine Erfahrung von Pluralismus, während in der einzelnen Schulstunde (mehr oder minder?)  immer der Lehrer das letzte Wort hatte. 

Für mich in der Pubertät eine ganz große Autorität war ein Mathematiklehrer, der im Unterricht Diskussionen zu allgemeinen Fragen zuließ, die nicht selten in der Pause noch mit ihm am Lehrertisch weitergeführt wurden und noch länger nachhallten. Meine Geschwister erinnern sich, dass ich in Famliendiskussionen des öfteren sagte "Herr Jung hat gesagt" und diese aus meiner Sicht unbezweifelbare Autorität besserwisserisch meinen größeren Geschwistern entgegengehalten habe. 

Dagegen ist aus meiner Kinderzeit noch in Erinnerung, dass ich mit einem wiederholten "Ich will dir sagen" ums Wort gebeten habe, bis das Gespräch unterbrochen wurde, bis ich meine Äußerung vorgebracht hatte. 

In der Zeit war meine Mutter die nahezu gottgleiche Autorität (mein Vater war im Krieg geblieben), der man nichts verschweigen durfte, auch nicht, was meine Geschwister für sie als Geschenk geplant hatten. 

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